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letzte Änderung: 10. Feb. 2024  
        


Der praktische Hausarzt

Ein getreuer Ratgeber für Jung und Alt in gesunden und kranken Tagen

Populär=wissenschaftliche Darstellung aller wichtigen Krankheitsbilder mit besonderer Berücksichtigung der modernen Behandlungsmethoden

von Dr. Med. H. Müller, prakt. Arzt

Leipzig – Verlag von Bulitta & Co.; ca. 1900


Die Zuckerharnruhr (Zuckerkrankheit)

Die Zuckerharnruhr ist eine Ernährungsstörung im reinsten Sinne, weil sie in der Hauptsache darin besteht, daß der in der Leber gebildete Zucker nicht zur Ernährung des Körpers verwandt wird, sondern in oft bedeutender Menge den Organismus ungenutzt durch den Harn wieder verläßt.

Da die Meinungen darüber noch nicht geklärt sind, inwieweit das Nervensystem oder die zuckerbildenden Organe, besonders die Leber, an der Erkrankung beteiligt sind, und da es ferner noch keineswegs entschieden ist, ob es sich bei dieser eigenartigen Form der Zuckerausscheidung mehr um eine Hemmung der Zuckerverbrennung zu Kohlensäure und Wasser oder um eine Erhöhung der normalen Zuckerbildung handeln möge, so wollen hier uns hier lieber nicht in allen möglichen Erwägungen verlieren, sondern uns damit begnügen, festzustellen, daß das Blut der an Zuckerharnruhr erkrankten Menschen mehr oder weniger zuckerhaltig ist, und das dieser Zucker in den Nieren als Harnzucker ausgeschieden wird, um durch den Urin in aufgelöstem Zustande den Körper zu verlassen.

Die Zuckerkrankheit ist eine chronisch verlaufende Erkrankung, welche meistens das mittlere Lebensalter, und zwar vorzugsweise das männliche Geschlecht befällt. Man hat zwar an der Hand vieler Patienten und ihrer Angaben zu erkennen geglaubt, daß die erbliche Belastung (Zuckerkrankheit oder auch Hysterie, Epilepsie, Alkoholismus, Geisteskrankheiten der Eltern u.s.w.), ferner unzweckmäßige Lebensweise (vieles Sitzen bei schwerer Mehlkost), ferner Gicht, Gehirnleiden, Infektionskrankheiten, und zwar besonders die Syphilis, für das Zustandekommen der Zuckerharnruhr verantwortlich zu machen seien; aber jeder einsichtsvolle Leser wird mir beistimmen, wenn ich sage, daß diese vielen Möglichkeiten zufällige sein können und man sie nicht mit Sicherheit verwenden kann, und in der That tritt denn auch gar nicht selten die Zuckerkrankheit bei Personen auf, die von völlig gesunden Personen abstammen und noch niemals krank gewesen waren, sodaß man ruhig sagen kann, daß der Grund und das Wesen der Erkrankung noch sehr dunkel sei.

Fast immer tritt die Zuckerharnruhr langsam und schleichend auf und kennzeichnet sich anfangs nur in einer zunehmenden allgemeinen Muskelschwäche, in Verdauungsstörungen, in Mattigkeit und leichter Ermüdung und besonders auch in Abmagerung und Gewichtsverlust trotz ungestörter oder sogar vermehrter Eßlust.

Ein weiteres wichtiges Zeichen, und das ist meistens dasjenige, welches den Verdacht zuerst auf die Art der Erkrankung lenkt, ist die Vermehrung der täglichen Harnmenge, welche auf fünf, sechs, acht Liter und mehr steigen kann und ja in der That so auffallend ist, daß auch der gleichgiltigste Mensch aufmerksam werden muß. Der Harn selbst ist hellgelb, zuweilen sogar wasserhell und hat nicht selten einen angenehm säuerlichen, aromatischen Obstgeruch. Untersucht man ihn chemisch, so findet man einen Zuckergehalt, der meistens zwischen zwei bis fünf Prozent schwankt, in seltenen Fällen aber auch bis acht, zehn, ja zwölf Prozent zunehmen kann, was dann eine Zuckermenge von mindestens fünfhundert Gramm am Tage ausmachen würde, während in den gewöhnlichen Durchschnittsfällen etwa hundert bis einhundertundfünfzig Gramm Zucker durch den Harn für den Körper verloren gehen, was die Abmagerung genügend erklärt.

Um hier gleich die wichtigsten Krankheitserscheinungen anzureihen, welche meistens erst später auftreten, so sinkt der Geschlechtstrieb schon nach ungefähr drei bis vier Monaten ganz bedeutend, um allmählich völlig zu erlöschen.
Zu erwähnen ist ferner der große Durst der Kranken, welche am liebsten literweise das quälende Verlangen nach Flüssigkeitsaufnahme stillen möchten und auch der große Hunger, welcher nicht nur durch den Ausfall der Kohlehydrate, sondern nicht weniger auch durch den vermehrten Eiweißzerfall im Körper hervorgerufen wird, der mit aller Deutlichkeit durch die meist beträchtliche Vermehrung der Harnstoffausscheidung im Urin bewiesen wird.

Was im übrigen das Verhalten der verschiedenen Körperorgane anlangt, so kann man deutlich eine verminderte Widerstandskraft an denselben konstatieren; so entwickelt sich zum Beispiel bei vielen Kranken Lungentuberkulose, bei anderen Nierenentzündungen oder schwere Neuralgie, noch wieder bei anderen Gefäßverhärtung mit Herzschwäche, wie denn überhaupt die meisten Patienten mit Zuckerharnruhr nicht an ihrer Krankheit selbst, sondern an einer daneben erworbenen Organerkrankung zu Grunde gehen. – Daß sich ferner bei vielen Zuckerkranken der Star auf einem oder gar auf beiden Augen bildet, sei der Merkwürdigkeit zu erwähnen nicht vergessen. –

Ganz besondere Beachtung verdient auch das Verhalten der äußeren Haut; abgesehen von stark juckenden, nässenden Aufkratzungen der Haut in der Nähe der Geschlechtsorgane, welche besonders bei Frauen vorkommen und auf Reizung durch den tröpfelnden stark zuckerhaltigen Harn bezogen werden müssen, zeigt auch die übrige Haut am ganzen Körper eine auffallende Neigung zur Furunkelbildung; sie fühlt sich meist trocken, spröde und rissig an wegen der großen Wasserverluste, die der Körper durch die sehr gesteigerte Harnvermehrung erleidet.

Es bleibt uns nun noch ein sehr wichtiges Moment zu erwähnen übrig, welches auf eine Beteiligung des Nervensystems zurückzuführen ist und in einer Zahl von Fällen die direkte Todesursache genannt werden muß; es ist dies das sogenannte Koma [Mit Koma (Schlafsucht) bezeichnet man den krankhaften Zustand des aufgehobenen Bewußtseins.] des Zuckerkranken, welches sich zu ganz ungewisser Zeit entwickeln kann, so daß jeder Zuckerkranke gewissermaßen mit ihm rechnen muß.

Es handelt sich bei diesem Koma wohl sicher um eine Art Selbstvergiftung durch noch unbekannte Stoffwechselumsetzungen, welche besonders das Gehirn stark reizen: der Kranke wird zuerst von Kopfschmerz, Schwindel, Druckgefühl und allgemeinem Unwohlsein ergriffen, es schließt sich daran ein Stadium größter seelischer Angst und Unruhe, sodaß der Patient kaum im Bett zu halten ist, und hieran schließt sich dann meistens ein Zustand tiefer Bewußtlosigkeit, der unmerklich in den Tod überleitet.

Um über die ungefähre Dauer, den Verlauf und den endlichen Ausgang das Wichtigste zu sagen, so kann man die Zuckerharnruhr getrost eine chronisch verlaufende Erkrankung nennen, denn wenn man auch Fälle beobachten kann, die fast eben so schnell zum Tode führen wie etwa die sogenannte Militartuberkulose, welche in knapp sechs Wochen auch den kräftigsten Mann ins Grab bringt, so sind das doch große Ausnahmen und ich selbst kenne Zuckerkranke, die vor sieben Jahren bereits bis fünf Prozent Zucker im Harn hatten und heute noch ihrem Berufe nachgehen und sich ihres Daseins freuen, weil sie völlig kurgemäß leben.

Es scheint fast, als ob die Zuckerharnruhr im späteren Lebensalter nicht mehr so gefährlich sei als in den frühesten Mannesjahren, und als wenn ferner die in späteren Jahren zur Beobachtung kommenden Fälle auf andere Störungen der Ernährung zurückzuführen seien als die schweren Frühformen der dreißiger Jahre. Jedenfalls ist mit aller Sicherheit nachgewiesen, daß manche ältere Kranke über fünfzehn Jahre lang an Zuckerharnruhr litten, ohne sich sonderlich in ihrem Befinden gestört zu finden, bis schließlich eine daneben eintretende Organerkrankung oder das obengenannte Koma dem Leben des Kranken ein Ziel setzte.

Die Behandlung. Wenn die meisten Behandlungsmethoden der Zuckerharnruhr darauf hinauslaufen, dem Kranken alle stärke- und zuckerhaltigen Nahrungs- und Genußmittel zu entziehen, damit man dem Patienten sagen könne: „der Harn ist heute fast zuckerfrei, folglich hat sich die Krankheit erheblich gebessert“, so finde ich diesen Schluß offen gesagt bedenklich und geradezu gefährlich, denn während man nur ein Zeichen der Krankheit bekämpft, macht die Ernährungsstörung selbst im Innern des Körpers ungehemmte Fortschritte. Unser Bemühen muß vielmehr darauf gerichtet sein, den Körper zu befähigen, daß er den Zucker wieder im Körper verbrennen, das heißt ausnutzen lernt, dann erst kann man von einer Besserung des Zustandes reden.

In allererster Linie ist deshalb für ausreichende Bewegung und Muskelarbeit zu sorgen, weil gesteigerte Bewegung auch gesteigerte Wärmeentwicklung voraussetzt, in anderen Worten den Verbrauch des Zuckers im Körper anregt. Ganz vorzüglich eignen sich hierzu die sogenannten mediko-mechanischen Institute, die augenblicklich überall in Deutschland errichtet werden, als Zeichen, daß das Verständnis für die physikalischen Heilmethoden auch bei uns ein immer größeres wird.

Wir stehen unbedingt gerade im Anfange unseres Jahrhunderts in der Medizin vor einem hochbedeutsamen Umschwung der Anschauungen, indem wir einzusehen beginnen, daß das Heil und die Summe der ärztlichen Kunst nicht darin liegt, mit formvollendeten Rezepten die einzelnen Krankheitserscheinungen zu bekämpfen, sondern daß es darauf ankommt, den Körper durch physikalisch-diätetische Anwendungsformen in den Stand zu setzen, daß er von innen heraus gesund werde, wodurch dann die äußeren Krankheitserscheinungen meistens von selbst verschwinden.

Selbstverständlich soll ein Zuckerkranker möglichst wenig Kohlehydrate und Zucker zu sich nehmen, aber nicht weil sie für ihn gefährlich sind, sondern weil sie ihm nutzlos sind, wenn sie als Harnzucker den Körper verlassen, und weil sie ihn zu satt machen, so daß er für andere ihm zweckdienlichere Nahrungsmittel zu geringe Eßkraft hat.

Um die empfehlenswertesten Nährmittel für den Zuckerkranken zu nennen, so sind alle Fleischsorten, ferner Speck, Butter, Milch und Käse gern zu gestatten, weil ja die Kost vorwiegend eine fett- und eiweißreiche sein soll, auch grüne Gemüse, wie Gurken, Salat und Spinat sind unbedenklich zu erlauben. Mit Vorsicht, das heißt in mäßiger Menge zu genießen sind: Reis, leichtes Brot, Früchte (Obst) und die zuckerhaltigen Gemüse (Möhren, gelbe Rüben, Blumenkohl und Spargel). Möglichst ganz zu vermeiden sind: Süßigkeiten (Kuchen, Honig, Zucker im Getränk, süße Nachspeisen und Puddings), Kartoffeln, Klöße, Hülsenfrüchte (Erbsen, Bohnen, Linsen) und süße Weine.

Gegen den großen Durst der Zuckerkranken empfehlen sich kleine Eisstückchen, die in den Mund genommen, langsam zerschmelzen; besondere Verbote sind wegen der Auswahl der Getränke kaum zu erlassen, höchstens ist das bayrische Bier und der übermäßig genossene Kaffee schädlich, letzterer besonders wegen seiner aufregenden Wirkung. Dünner schwarzer Thee mit etwas Zusatz von Rotwein und Cognac bildet übrigens ein sehr empfehlenswertes und gern genommenes Getränk für Zuckerkranke.

Vor übermäßigen Anstrengungen, etwa einem Übertreiben der empfohlenen körperlichen Bewegungen und vor geistigen Aufregungen ist der Kranke nach Möglichkeit zu warnen und zu bewahren. Er muß natürlich über sein Leiden in der richtigen Weise aufgeklärt werden, aber ich halte es für verkehrt, wenn dem Kranken die Möglichkeit gegeben wird, jeden Tag seinen Harn auf Zuckergrade zu untersuchen, wie es vielfach geschieht. Es regt ihn nur ganz unnütz auf und schadet ihm, außerdem macht es ihn in seinen Ernährungsgrundsätzen völlig kopfscheu, denn es kann vorkommen, daß der Zuckergehalt steigt, auch wenn die Ernährung eine mäßige war.

Eine gute Hautpflege sei Hauptsorge des Kranken; am besten ist tägliches Baden im lauen Vollbad, auch empfiehlt es sich, zweimal in der Woche den ganzen Körper mit etwas Borvaseline einzufetten, was am besten Abends geschieht; es ist dies durchaus nicht so umständlich als es vielleicht klingt, jedenfalls bleibt die Haut deshalb nicht nur geschmeidiger, sondern wird auch vor der erwähnten Furunkelbildung mehr bewahrt.

Von inneren Mitteln leisten eigentlich nur das Opium und die Bromsalze empfehlenswerte Dienste. Die Opiumtinktur, die am besten tropfenweise genommen wird, setzt nicht nur das Durstgefühl des Kranken, sondern auch die Zuckerausscheidung herab, während die Bromsalze, am besten das Sandowsche brausende Bromsalz, dem Kranken bei allen nervösen Erregungszuständen gute Dienste leisten.

Einen guten Ruf haben sich für Zuckerkranke die Kurorte mit alkalischen Mineralwässern erworben, von denen vor allem Karlsbad und Neuenahr genannt sein mögen. Selbstverständlich liegt das Heil für den Patienten keineswegs in einer teueren Kur an diesen Orten, wiewohl sie wohlhabenden Kranken gern empfohlen werden kann, man vermag sich vielmehr für billiges Geld mit Hilfe der Sandowschen Salze den Genuß der alkalischen Mineralwässer auch zu Hause zu leisten.

Im Koma, welches wohl immer zum schmerzlosen Ende des Kranken führt, sind laue Bäder mit kühlen Übergießungen wohl das Einzige, was zur Linderung geschehen kann. Es will ja jeder Tod seine Ursache haben und es ist uns Menschen nun einmal bestimmt „früher oder später unseres Daseins Kreise zu vollenden“.

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